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Feldpostbriefe - Lettres de poilus
»... wer fällt, der stirbt den Heldentod« Vor achtzig Jahren, am 11. November 1918 endete der Erste Weltkrieg. Daran erinnert eine neue Sendereihe des Deutschlandfunk, die in Zusammenarbeit mit Radio France und dem deutsch-französischem Jugendwerk entstand. Präsentiert werden Feldpostbriefe, die Hörerinnen und Hörer uns geschickt haben. Dokumente von Begeisterung und Hingabe, von Ernüchterung und Entsetzen. Der Erste Weltkrieg im Spiegel von Feldpostbriefen, ab dem 2. November montags bis freitags um 8:20 Uhr in den "Informationen am Morgen". Im Internet haben Sie die Möglichkeit historische Begleitinformationen, mit umfangreichem Text-, Bild- und Tonmaterial zum Ersten Weltkrieg abzurufen. Daneben können Sie montags bis freitags ab 8:30 Uhr das aktuelle Manuskript nachlesen und die Sendung im RealAudio-Format anhören. 1. Sendung vom 2. November: Die Kriegserklärungen sind ausgetauscht. Der Schlieffen-Plan sieht eine rasche Entscheidung durch eine Offensive an der Westfront vor. Anschließend soll das Gros der Truppen zur Unterstützung der Österreicher an die Ostfront geworfen werden. In Deutschland herrscht die sogenannte "Hitze des Augusts" - Teile der Bevölkerung befinden sich in blindem Taumel: "Fieber des Aufbruchs", dem Feind entgegen.
Am 10. August 1914 schreibt der 35 Jahre alte Hauptmann
Heinrich von Helldorff an seine Frau: "Es ist eine herrliche Reise. Wunderbares Wetter. Wir sitzen lange Strecken auf den Maschinengewehren, die auf den offenen Wagen stehen. Wie einer sagte: "man sieht nochmals alles, was man verteidigen soll". Unendliche Mengen von guten Dingen auf den Verpflegungsstationen ...
Enorme Begeisterung überall. Wenn Du noch
dabei wärst, wäre es die schönste Reise, die ich
je gemacht habe."
Diesem Brief des Hauptmanns von Helldorff, abgestempelt
in Minden, folgt einen Tag später eine Nachricht aus Köln.
Der Offizier einer Potsdamer Eliteeinheit, der zusammen mit einem
der Hohenzollern-Prinzen reist, berichtet nach Hause:
"Zweite tadellose Nacht im Pyjama. Eben reichlich
Kaffee bekommen. Siebeneinhalb Stunden geschlafen, nur schwach
unterbrochen von den endlosen Hurra's, die auf jeder nächtlichen
Station dem Prinzen, der auch schlafen wollte, dargebracht wurden.
Das endgültige Erwachen wurde dann auch wieder durch ein
brausendes "Deutschland, Deutschland über alles"
veranlaßt. Überall unendlicher Jubel."
Am 12. August 1914 erreicht Helldorffs Einheit Malmedy.
Einer von 550 Eisenbahnzügen, die täglich über
die Rheinbrücken nach Westen rollen. Alle zehn Minuten fährt
ein deutscher Truppentransport über die gerade eingeweihte
Hohenzollernbrücke:
"Wundervoll war die Fahrt über den Rhein
bei Köln. Auf den Maschinengewehren sitzend fuhren wir über
die schöne neue Brücke, gerade auf den Dom zu. Die Regiments-Musik
spielte die "Wacht am Rhein". Auch die Fahrt durch die
Eifel war schön."
Drei Monate später ist Heinrich von Helldorff
tot. Der Hauptmann fällt am 11. November 1914 in Flandern.
Die Beschreibungen des Offiziers decken sich mit
den Eindrücken des 20jährigen Soldaten Gotthard Dentler.
Ihn erreicht die Einberufung im rheinischen Remagen: Liebe Eltern,
Am 2. August morgens 3 Uhr dann endgültig
Abmarsch, nachdem unser Major eine kurze markige Ansprache gehalten
hatte. Voran die Musik, "Heil Dir im Siegerkranz", gings
dem Bahnhof zu. Um 5 Uhr waren wir verladen in ca. 20 Wagen mit
unseren Gerätewagen, und um 6 Uhr verließen wir Koblenz
unter Absingen froher Lieder Richtung Trier. An den Wagen hatten
wir allerhand Ulk angemalt, so "auf nach Paris zum Bundesschießen",
"morgen gibts Goulasch mit Rothosen", "Franzosen,
Belgier, Serben, Ihr alle müßt jetzt sterben"
usw. Auf der ganzen Fahrt haben wir gesungen, was nur die Kehle
hergab. Überall, wo wir auf der Fahrt durchkamen, wurden
wir aufgemuntert, feste zuzuhauen, aber auch so manches Mütterlein
stand an der Bahn mit Tränen in den Augen."
Die französische Armee trägt zu diesem
Zeitpunkt noch die roten Uniform-Hosen des Krieges von 1870/71.
Von den deutschen Soldaten deshalb abschätzig als "Rothosen"
bezeichnet, ziehen vier Millionen junger Franzosen in den Krieg.
Zu den Berufssoldaten kommen die Reservisten. Unter ihnen Léon
Hugon, ein Bauer aus dem Quercy im Süd-Westen Frankreichs.
Am 5. August 1914 schreibt er aus der Hauptstadt der Region,
Agen, an seine Frau: "Chère Sylvaine, Tout est très calme, on dirait qu'on part pour les manoeuvres ... Liebe Sylvaine, alles ist sehr ruhig. Man könnte meinen, wir ziehen ins Manöver. Aber das ist natürlich nicht die ganze Wahrheit. Ich bin noch nicht eingekleidet. Wir sind frei. Ich werde heute abend bei Berrys Bruder meine Ente zuende essen. Gegen Mittag haben wir einen vollen halben Liter im Hof der Kaserne getrunken. Alles verläuft gut: Die Wegweiser in Agen weisen nach Berlin und eines Tages wird die Haut von Wilhelm II zum Verkauf angeboten. Ich habe all meine alten Kameraden gesehen, alle sind glücklich, nach Deutschland zu fahren.
....Tout marche bien, des pancartes voyagent à
Agen pour Berlin et la peau de Guillaume
sera à vendre un jour. J'ai vu mes anciens copains,
tous contents d'aller en Allemagne."
In jenen Tagen, am 10. August 1914, schreibt der
22 Jahre alte Maurice Maréchal an seine Mutter. Er ist
Musiker und wird nach dem Krieg einer der bedeutendsten Cellisten
Frankreichs sein. "Que d'impressions depuis hier. Et d'abord, petite mère, merci, tu as été sublime de courage samedi soir. Je suis fier ! , fier d'être ton fils ... Was für Eindrücke seit gestern - aber zuerst, Mütterchen, vielen Dank, Du warst am Samstag tapfer. Ich bin stolz , stolz Dein Sohn zu sein. Während der ganzen Fahrt gestern haben die Leute unterwegs oder auf den Bahnhöfen nicht aufgehört uns anzufeuern, die Frauen schickten uns Küsse, die Männer stimmten mit uns die Marseillaise und das "Chant du Départ" an ... Warum muß mir eine dumpfe Angst das Herz zuschnüren - wenn das eine Truppenübung wäre, dann wäre das sehr unterhaltsam; doch übermorgen oder in drei Tagen wird der Kugehagel einsetzen und wer weiß ? Wenn ich nicht zurückkehren sollte, dann hätte ich vorsätzlich meine Mutter unter die Erde gebracht, ermordet. Was bleibt mir noch vorbehalten ? Verzeih, Mama ! Ich hätte bleiben sollen, hätte für Dich Cello üben sollen, für Dich , die so viele Opfer gebracht hat, für mein schon krankes Mütterchen ! ... Ich bin, ich will nicht feige sein. Doch die Idee, daß eine idiotische Kugel meine Zukunft verpfuschen kann, das läßt mich angstvoll erzittern. Und dennoch muß man mitmarschieren. Aber egal was jetzt kommt, ich bin dabei, ich kann nicht mehr zurück ! Und trotzdem: Wie sehr ich mir in diesem Augenblick eine Stunde ungestörter Ruhe bei uns wünschte, unter dem Dach der Familie, in der Nähe meiner Liebsten ... Los nun, werden wir nicht schwach ! Zum Teufel ! Was für ein Franzose ! Was würden unsere adligen Damen und edlen Fräulein sagen, wenn schon zwei der schönsten Ritter zu Hof sich für einen Fächer den Bauch aufschlitzen lassen! Los nun, seien wir heiter, mutig und vertrauensvoll ... Allons, soyons gai, courageux, confiant.
Maurice Maréchal." |